Die 2-Gewinner Lösung (Englisch: win-win-situation)

 Vieles lässt sich anhand von Beispielen besser verdeutlichen. Das gilt auch für die 2-Gewinnerlösung. Folgendes kurzes Beispiel hierzu also:

Max und Mara streiten sich darüber, wem ein Auto gehört. Das Auto steht bei Max in der Garage, so dass Mara keinen Zugriff darauf hat. Mara hingegen hat den Schlüssel zum Fahrzeug, so dass auch Max das Auto nicht nutzen kann. Für unser Beispiel nehmen wir an, dass der Autoschlüssel nicht einfach zu ersetzen ist. Sowohl Max als auch Mara verlangen daher vom jeweils anderen die Herausgabe der zum Glück noch fehlenden Sache (Auto bzw. Autoschlüssel).

 Wie die Abschlussvereinbarung eines Mediationsverfahrens aussehen könnte:

Während der Mediation kommt heraus, dass Max das Auto an Wochenenden und montags benötigt, Mara hingegen den Rest der Woche. Max und Mara einigen sich darauf, das Auto gemeinsam zu nutzen (Stichwort Carsharing). Statt die vordergründige Eigentumsfrage zu klären, wurde eine Lösung gefunden, die die unterschiedlichen Interessen von Max und Mara berücksichtigt. Weder Max noch Mara müssen hierdurch auf etwas verzichten, beide haben gewonnen.

Ein Gericht würde in diesem Beispiel hingegen nur über die Eigentumsfrage entscheiden. Einer von beiden, Max oder Mara, geht dann leer aus. Dass das jeweilige Interesse an dem Eigentum an dem Auto vielleicht nur Ausdruck von dem Wunsch ist, das Auto an den benötigten Tagen nutzen zu können, spielt vor Gericht keine Rolle. Nur das Mediationsverfahren schafft es effektiv, den hinter Positionen („Gib die Sache heraus!“) stehenden Interessen zum Zwecke einer einvernehmlichen Einigung Geltung zu verschaffen.

Stress, Kosten und Zeit sparen

1. Das Mediationsverfahren ist in der Regel deutlich kostengünstiger als das Gerichtsverfahren.

Die konkreten Kosten des Mediationsverfahrens sind grundsätzlich eine Frage der Vereinbarung zwischen den Mediatoren und den Konfliktparteien. Hier ist es üblich auf der Basis eines Stundenhonorars abzurechnen, wobei die Stundensätze bei anwaltlichen Mediatoren in der Regel zwischen 120 und 300 € (netto) liegen. Die Höhe des Stundensatzes bemisst sich z.B. nach der Bedeutung der Sache, der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Parteien und der Qualifikation des Mediators. Grundsätzlich gilt: Je höher der Streitwert, desto höher der Kostenvorteil einer Mediation. Gerichtskosten fallen naturgemäß keine an, da Gerichte nicht eingeschaltet werden. 

Werden von anwaltlichen Mediatoren Zusatzleistung in Form einer rechtlichen Beratung verlangt, können Mehrkosten anfallen. Hiervon müssen Sie ohne gesonderte Vereinbarung allerdings nicht ausgehen. Aber auch in diesem Fall werden die Kosten eines Gerichtsverfahrens meist weit unterboten.

Übrigens: Wenn sich die Konfliktparteien die Kosten des Mediationsverfahrens teilen, wie es üblich ist, besteht nicht die Gefahr, dass eine Seite die gesamten Kosten zu tragen hat. So aber im Gerichtsverfahren, wo der Verlierer regelmäßig die gesamten Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat (Der Grundsatz: „The winner takes it all“ findet sich in der Zivilprozessordnung in §§ 91 ff. ZPO wieder).

2. Das Mediationsverfahren ist schneller als der Zivilprozess

Zivilverfahren dauern allein in der 1. Instanz häufig länger als ein Jahr. Nicht selten vergehen vom Zeitpunkt der Einreichung der Klageschrift bis zum Termin der mündlichen Verhandlung mehr als ein halbes Jahr. Wird danach noch Berufung eingelegt, erstreckt sich die Dauer eines Prozesses gern über eine Zeitspanne von drei oder mehr Jahren.

Einen Termin beim Mediator bekommt man hingegen meist innerhalb weniger Tage. Das Mediationsverfahren selbst dauert dann – in Abhängigkeit vom Einzelfall – einige Tage bis Wochen. Bei wöchentlich mindestens einer Sitzung wird eine Zeitspanne von drei Monaten jedoch in der Regel auch bei komplexen Fällen nicht überschritten.

3. Das Mediationsverfahren schont die Nerven

Das Mediationsverfahren wird von den meisten Konfliktparteien als viel weniger stressig empfunden als ein Gerichtsprozess. Zwar kann das erste Aufeinandertreffen der Konfliktparteien im Rahmen der Mediation dazu führen, dass es „hoch her geht“. Auf der anderen Seite bietet sich aber auch der Raum, seinem Ärger Luft zu machen, was befreiend wirken kann. Anders als ein Gericht wird ein Mediator nicht sagen, dass etwas rechtlich nicht relevant wäre. Denn darauf kommt es nicht vorrangig an, sondern nur darauf, die Basis für eine Einigung und dann tragfähige Lösungen zu finden.

Im Gegensatz zum Gerichtsverfahren wirkt ein Mediationsverfahren eher deeskalierend. Der Stress nimmt im Laufe der Mediation ab. Nach einer Phase des Schlagabtauschs kommt die Konflikterhellung. Hier lernen die Konfliktparteien die Beweggründe der anderen Partei besser kennen und gehegte Befürchtungen erweisen sich ggf. als unzutreffend. Es folgt eine Phase der Suche nach Lösungsoptionen. Diese Phase vollzieht sich dann schon weitgehend entspannt. Sind Lösungen gefunden, können sie in einer Abschlussvereinbarung  festgehalten werden und nicht selten ist man dann gelöster Stimmung. Im Gerichtsverfahren wird der Streit hingegen über die Instanzen immer erbitterter ausgefochten und über Jahre ausgetragen. Der Konflikt eskaliert.

Der Mediator hat im Gegensatz zum Gericht außerdem keine Befugnisse in der Sache selbst etwas zu entscheiden. Der Mediator bewertet daher auch nicht, ihm geht es zudem nicht um Fragen der Glaubhaftigkeit oder der Beweislast. Die Konfliktparteien können entspannt sein, denn sie müssen den Mediator nicht von der Richtigkeit ihrer Auffassungen überzeugen. Sie selbst haben das Heft in der Hand und geben die Entscheidungskompetenz anders als bei Gericht nicht ab. 

Ausschluss der Öffentlichkeit und Vertraulichkeit

Anders als das Gerichtsverfahren ist das Mediationsverfahren nicht öffentlich. Informationen dringen also nicht nach außen, was in vielerlei Hinsicht vorteilhaft sein kann. Mediatoren sind zudem nach dem Mediationsgesetz zur Verschwiegenheit verpflichtet. Sind sie zudem Rechtsanwälte gelten zusätzlich die berufsständischen und strafrechtlichen Regeln zur Geheimhaltung. Konfliktparteien können sich im Mediationsverfahren also sicher sein, dass von Seiten der Mediatoren von dem Verfahren nichts nach außen dringt, insbesondere wenn die Mediatoren Rechtsanwälte sind. Inwieweit die Konfliktparteien die Öffentlichkeit oder bestimmte Personen selbst über das Mediationsverfahren informieren können, ist eine Frage der Vereinbarung zwischen den Konfliktparteien im zu Beginn einer Mediation abgeschlossenen Arbeitsbündnis (zugleich Auftrag zur Mediation). Grundsätzlich sollen auch die Konfliktparteien das Mediationsverfahren vertraulich behandeln und dürfen in ihm gewonnene Informationen nicht ohne Einverständnis der anderen Partei für sich nutzbar machen (bspw. in einem Gerichtsprozess, der sich an eine gescheiterte Mediation anschließt).

Freiwilligkeit

Das Prinzip der Freiwilligkeit bedeutet, dass die Konfliktparteien in jeder Minute des Mediationsverfahrens freiwillig an ihm teilnehmen. Es gibt also auch keinen Zwang, ein einmal begonnenes Mediationsverfahren fortzusetzen. Das hat den Hintergrund, dass durch das Verfahren eine einvernehmliche Lösung erzielt werden soll. Zwänge vertragen sich mit dieser Idee aber nicht. Denn wo Vereinbarungen unter Zwang erzielt werden, leidet die Akzeptanz der Lösung.  

Die Abschlussvereinbarung – besser als ein Urteil! 

Eine Abschlussvereinbarung muss einem gerichtlichen Urteil in nichts nachstehen. Denn auch eine Vereinbarung lässt sich für vollstreckbar erklären, wenn man mit ihr z.B. zum Notar geht (auch ein vollstreckbarer Anwaltsvergleich ist möglich).

Eine Abschlussvereinbarung ist einem gerichtlichen Urteil sogar weit überlegen, weil sie ein Vertrag ist. Sich zu vertragen bedeutet zu kooperieren, mit einer getroffenen Regelung also einverstanden zu sein. Abschlussvereinbarungen müssen daher selten vollstreckt werden. 

Ein Urteil ist hingegen die staatliche Erlaubnis, Zwang anzuwenden. Druck erzeugt Widerstand, weshalb freiwillige Selbstverpflichtungen naturgemäß eher zum gewünschten Verhalten führen.

Bei gerichtlichen Verfahren kommt es zwar auch häufig zu einem Vergleich, allerdings werden diese Vergleiche häufig auf mehr oder weniger sanften Druck des Gerichts und in kurzer Zeit im Gerichtssaal geschlossen. Im Mediationsverfahren ist hingegen (auch zwischen den einzelnen Sitzungen) genügend Zeit, sich über die vorgeschlagenen Regelungen Gedanken zu machen. Man kann also im wahrsten Sinne des Wortes über Lösungsvorschläge erst einmal schlafen. Eine für vollstreckbar erklärte Abschlussvereinbarung, die das Ergebnis einer Mediation ist, ist daher einem gerichtlichen Urteil und auch einem gerichtlichen Vergleich weit überlegen.

Nachteile des Mediationsverfahrens

 „Wo Licht ist, ist auch Schatten“, sagt eine Binsenweisheit. Natürlich hat das Mediationsverfahren auch Nachteile. Auch ist es nicht in allen Fällen geeignet, einen Konflikt beizulegen, wobei diese Fälle die Ausnahme bilden. Zu der grundsätzlichen Eignung eines konkreten Konflikts für das Mediationsverfahren können Mediatoren eine Einschätzung abgeben.

Ein rechtlicher Nachteil des Mediationsverfahrens ist es, dass es grundsätzlich auch missbraucht werden könnte, um die andere Konfliktparteien z.B. hinzuhalten. Der Vorteil, einen anwaltlichen Mediator aufzusuchen ist es, dass dieser eher als ein Mediator ohne juristischen Hintergrund erkennen wird, wenn das Mediationsverfahren missbraucht werden soll, bspw. dazu genutzt werden soll, gesetzliche Auschlussfristen (z.B. für die Kündigungsschutzklage im Arbeitsprozess oder eine Beschlussanfechtung im Gesellschaftsrecht) auszusitzen. Die Verjährung von Ansprüchen wird man hingegen mit der Einleitung eines Mediationsverfahrens in aller Regel nicht erreichen können, da für die Dauer der Mediation Verhandlungen schweben, die den Eintritt der Verjährung hemmen (§ 203 BGB). Sind Ansprüche bei Beginn der Mediation noch nicht verjährt, bleiben nach Abbruch des Mediationsverfahrens noch drei Monate Zeit, um die Ansprüche gerichtlich zu verfolgen. 

Ein weiterer Nachteil des Mediationsverfahrens ist eigentlich kein Nachteil sondern sogar ein Strukturprinzip der Mediation, das aber teilweise negativ bewertet wird. Die Rede ist von dem Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit. Eigenverantwortlichkeit bedeutet, dass die Konfliktparteien die Lösung selbst erarbeiten müssen, wenn auch mit Hilfe des Mediators. Dem liegt der Gedanke zu Grunde, dass nur selbst gefundene Lösungen nachhaltig sind. Wenn ein Mediator Lösungsvorschläge macht, beeinträchtigt das die Akzeptanz und damit die Dauerhaftigkeit des Ergebnisses. Der Mediator handelt dann aber streng genommen auch nicht mehr als Mediator, sondern vielmehr als Schlichter, der einen Vorschlag zur Einigung macht (unverbindlicher Schlichtspruch).

Eigenverantwortlichkeit setzt nicht nur Kooperationsbereitschaft mit der anderen Konfliktpartei voraus, sondern auch die Bereitschaft, für die gefundenen Ergebnisse einzustehen. Bei Themen, die nur einen selbst angehen, fällt einem das in der Regel relativ leicht. Schwieriger wird es aber dort, wo man den gefundenen Vergleich vor anderen rechtfertigen muss. Das gilt z.B. für Unternehmen, bei denen die an der Mediation teilnehmende Geschäftsführung den Anteilseignern Rechenschaft für die Ergebnisse schuldig ist.

Es kann unter Umständen einfacher sein, die Konfliktlösung an Rechtsanwälte zu delegieren, die die Entscheidung wiederum einem Gericht überlassen. Denn für Entscheidungen, die andere fällen, muss man sich in der Regel nicht rechtfertigen. Auf der anderen Seite können Gerichtsverfahren eben in aller Regel keine 2-Gewinnerlösung erarbeiten und die Beziehung zur anderen Konfliktpartei wird durch den gerichtlichen Rechtstreit meist dauerhaft geschädigt. Außerdem kann eine Urteilsbegründung auch schonungslos die Missgeschicke einer Prozesspartei benennen, was zumindest unangenehm sein kann. 

Gerade bei langjährigen (Geschäfts-)Partnern kann der Mut zur Mediation die Festigung der Beziehung, die dann auch Täler überwunden haben wird, bedeuten. Aus Sicht eines Mediators ist aber darauf zu achten, dass Repräsentanten von Konfliktparteien genug Zeit haben, die angedachten Lösungsvorschläge in Ruhe in den eigenen Reihen zu besprechen. Wird eine Lösung intern von allen mitgetragen, gibt es wiederum kein Akzeptanzproblem wegen gefundener Vereinbarungen.

Kurzum, die Nachteile eines Mediationsverfahrens sind in der Regel beherrschbar und wiegen seine Vorteile nicht auf.